Wachsendes Wohlbefinden.

Vegetation wächst nicht nur in viele Richtungen, sondern auch an Bedeutung. Auf dem Land wie in der Stadt. Und auf dem Dach? Obwohl Grünflächen als natürliches Sinnbild für gesunde Luft gelten, tauchen Pflanzen in der Architektur bislang nur wenig in Erscheinung. Zeit, sie aus ihrem Schattendasein zu befreien. Denn die positiven Wirkungen von Begrünungssystemen sind längst bekannt – und bemerkenswert vielschichtig.

Ländliche Idylle mitten in München: die Dachfläche von Werk3, Herzstück des neuen Werksviertels.
Ländliche Idylle mitten in München: die Dachfläche von Werk3, Herzstück des neuen Werksviertels.

Ästhetische Aspekte fallen beim Grün wohl zuerst ins Auge. So können unbewegliche Baukörper durch geschickte Bepflanzung einen lebendigen, naturnahen Charakter bekommen. Manchmal ist das Grün essenzieller Bestandteil des Architekturkonzepts, wie etwa beim robatherm Gebäude in Jettingen-Scheppach. Hier wurde das gesamte Erdgeschoss angeböscht und umfangreich begrünt. Neben den sichtbaren sind die spürbaren Vorzüge von Begrünung besonders erfreulich. Und zwar zu jeder Jahreszeit.

LeBiotope in Lille: Die 750 Bäume und Sträucher sind von der Straße aus nur zu erahnen.
LeBiotope in Lille: Die 750 Bäume und Sträucher sind von der Straße aus nur zu erahnen.

Natürlicher Temperaturausgleich

Der direkte Vergleich macht es deutlich: Ein Flachdach kann sich an heißen Sommertagen auf bis zu 80 °C aufheizen, während ein begrüntes Dach unter solchen Bedingungen nur Werte von etwa 20 °C bis 25 °C erreicht. Denn Pflanzenbewuchs und Boden wirken nicht nur isolierend, sie können auch größere Regenmengen speichern und durch die Verdunstung kühlend wirken. Vor allem in überhitzten urbanen Bereichen senken begrünte Dächer die Temperatur auf ein angenehmes Niveau. Der regulierende Effekt funktioniert aber nicht nur im Sommer. Denn die meist 15 cm bis 20 cm dicke Schicht aus Dachsubstrat entwickelt zusammen mit der Vegetation auch eine Dämmfunktion gegen Kälte. Im Winter bleibt das Gründach schließlich um bis zu 10 °C wärmer als ein herkömmlich gedecktes Flachdach. Und weniger Wärmeverlust heißt weniger Energieverbrauch.

Sinnvolle Ergänzung zur Raumlufttechnik

Ein begrüntes Dach trägt also dazu bei, mit raumlufttechnischen Geräten weniger kühlen und heizen zu müssen. Starke Temperaturschwankungen werden das ganze Jahr über gemindert – was bei sich häufenden Wetterextremen durch den Klimawandel ein nicht zu unterschätzender Vorteil ist. Wirtschaftlich und ökologisch. Und wenn man auf regenerative Stromerzeugung setzt, ist das Gebäudegrün ein ebenso effektiver Mitstreiter: Dank Verdunstungseffekt sinkt die Betriebstemperatur der Photovoltaik-Anlage, wodurch bis zu 16 % mehr Leistung erbracht werden kann als auf einem unbepflanzten Dach.

Wohltuend für Mensch und Artenvielfalt

Neben solch messbaren Vorzügen kann Gebäudebegrünung allerdings noch weit mehr bewirken. In Innenräumen erhöhen Pflanzensysteme durch ihre filternden und befeuchtenden Eigenschaften die Luftqualität. Und draußen entsteht mit der Auswahl geeigneter Gewächse ein wertvoller Lebensraum für Bienen und andere Nützlinge. Mit einem professionellen Konzept unterstützt Begrünung also nicht nur menschliche Belange, sondern auch die Biodiversität.

Dr. Gunter Mann ist Präsident des Bundesverbands GebäudeGrün e.V.
Dr. Gunter Mann ist Präsident des Bundesverbands GebäudeGrün e.V.

Interview

Wer sich tiefgreifend mit dem Thema Begrünung beschäftigt, erkennt schnell, wie vielschichtig die Möglichkeiten und Effekte sind. Einige davon werden in unserem Interview mit einem Experten auf diesem Gebiet deutlich, dem Diplom-Biologen Dr. Gunter Mann.

Wir sind hier mitten in München auf einem Dach und trotzdem im Grünen. Irgendwie ein ungewohntes Bild, aber eigentlich ist die Begrünung von Dächern nichts Neues, oder?

Dr. Gunter Mann: „Von der Sache her nichts Neues, und dennoch immer noch so selten umgesetzt, dass es was Besonderes ist. Derzeit begrünen wir nur etwa 8 Prozent der neu entstehenden Flachdächer. Dabei gibt es seit Mitte der siebziger Jahre Unternehmen, die Gründachsysteme und deren Ausführung professionell anbieten. Wir haben also seit etwa 50 Jahren das Know-how und die Erfahrungen vorliegen.“

Wie sieht es mit Fassadenbegrünungen aus?

Dr. Gunter Mann: „Hier ist es ähnlich. Es gibt kaum einen Ort, vor allem im ländlichen Raum, in dem es keine mit Efeu und wildem Wein begrünten Gebäude gibt. Die Erfahrungen und Systeme von bodengebundenen Fassadenbegrünungen sind ebenso alt wie die der Dachbegrünung, einzig die Erfahrungen zu den wandgebundenen Fassadenbegrünungen, den „Living Walls“ sind mit etwa 10 bis 15 Jahren nicht so alt.“

Provokativ gefragt: Ist das nur etwas Kosmetik, um grünen Lifestyle zu suggerieren oder leisten sie einen wirklichen Beitrag?

Dr. Gunter Mann: „Wir können damit nachweislich die Umgebungstemperatur um etwa 1 °C bis 3 °C senken. In Kombination mit Verschattungen wirkt sich das bei der „gefühlten Temperatur“ noch deutlicher aus. Pflanzen verdunsten Wasser und dabei wird Verdunstungskühlung erzeugt. Neben diesen direkten, messbaren Effekten weisen Gebäudebegrünungen durchaus noch weitere interessante Aspekte auf.“

An welche Aspekte denken Sie da?

Dr. Gunter Mann: „Natürlich dienen sie als Hitzeschild und Wärmedämmung und helfen, Kühlund Heizenergie zu sparen. Sie haben aber darüber hinaus ein ganzes Paket an weiteren positiven Wirkungen, wie beispielsweise den Schutz der Dachabdichtung und Fassade – etwa vor Extremtemperaturen, Hagelschlag und UV-Strahlung. Weiterhin dient die Begrünung der Bindung von Staub- und Schadstoffen, Lärmminderung und auch als Lebensraum für Tiere. Und schließlich sind Dachbegrünungen ein wichtiger Baustein in der Regenwasserbewirtschaftung.“

Personal Details: Dr. Gunter Mann

Diplom-Biologe Dr. Gunter Mann ist Präsident des Bundesverbands GebäudeGrün e.V. (BuGG) und Mitglied der FLL-Regelwerksausschüsse „Dachbegrünung“ und „Fassadenbegrünung“. Der BuGG umfasst mehr als 430 Mitglieder und verfolgt das übergeordnete Ziel, die Gebäudebegrünung einem möglichst breiten Publikum nahe zu bringen.

Begrünte Dachflächen bieten attraktive Rückzugsmöglichkeiten mitten in der Stadt.
Begrünte Dachflächen bieten attraktive Rückzugsmöglichkeiten mitten in der Stadt.

Technik und natürliche Lösungen gelten oft als gegensätzlich. robatherm hingegen ist der Überzeugung, dass ein gelungenes Zusammenspiel beider Komponenten nachhaltige Lösungen ergeben können. Als Hersteller von raumluft-technischen Geräten wollen wir ein perfektes Raumklima bei höchstmöglicher Effizienz schaffen. Sehen Sie hier im Hinblick auf Dachbegrünungen eventuelle Synergieeffekte?

Dr. Gunter Mann: „Gebäude, die Dach- bzw. Fassadenbegrünungen als natürliche Dämmung haben, sparen Energiekosten für die Kühlung und das Heizen von Gebäuden. Zudem schaffen Dach- und Fassadenbegrünungen im Umfeld des Gebäudes ein angenehmes Kleinklima durch Verdunstungs- und Kühleffekte und Erhöhung der Luftfeuchtigkeit. Außerdem werden Feinstaub und Luftschadstoffe gebunden, die dann schon nicht herausgefiltert werden müssen.“

Begrünte Fassaden reduzieren also das Aufheizen von Räumen. Sperren wir dafür im Winter die für das Wohlbefinden wichtige Strahlungswärme aus?

Dr. Gunter Mann: „Wenn man sich für die richtigen Pflanzen und das richtige Begrünungssystem entscheidet, nicht. Wenn wir beispielsweise eine bodengebundene Fassadenbegrünung mit Kletterhilfen und sommergrünen Pflanzen wählen, können wir die Kletterhilfen (Seile, Gitter, Netze) so anordnen, dass sie auch vor Fensteröffnungen und Balkonen installiert sind und die Pflanzen im Sommer als natürliche Verschattungsanlage wirken. Im Winter lassen Sie nach dem Laubfall dafür die Sonnenstrahlen wieder ungefiltert hindurch.“

Wir beide haben an sich dasselbe Ziel: Menschen sollen sich in Räumen wohlfühlen, aber mit möglichst effizienten Lösungen. Mit unseren RLT-Geräten kümmern wir uns um die Raumluft. Sind Synergieeffekte auch durch gezielte Innenraumbegrünung zu erreichen?

Dr. Gunter Mann: „Durch eine geschickt gesetzte Innenraumbegrünung können die Pflanzen einerseits die Sonneneinstrahlung und damit eine Überhitzung des Raumes mindern und andererseits durch ihre Verdunstungskühlung die Lufttemperatur messbar senken. Beide Effekte können helfen, die Anforderungen an die Klimatisierung und damit auch die Energiekosten der Gebäudetechnik zu reduzieren. Die Erhöhung der Luftfeuchtigkeit durch Pflanzen ist ein weiterer Aspekt, der hier zu erwähnen ist. Das Ziel haben wir also ganz sicher gemeinsam: Menschen sollen sich in Gebäuden wohlfühlen.“

Vom weltgrößten mobilen Riesenrad blickt man nicht nur über München, sondern auch auf ein begrüntes Dach mit robatherm Geräten.
Vom weltgrößten mobilen Riesenrad blickt man nicht nur über München, sondern auch auf ein begrüntes Dach mit robatherm Geräten.

Wenn wir von Innenraum-begrünung sprechen, reden wir ja nicht von ein paar Zimmerpflanzen. Wie darf man sich das vorstellen?

Dr. Gunter Mann: „Innenraumbegrünungen gibt es im Pflanzgefäß, im Pflanzbeet oder als Wandbegrünung – alles in verschiedenen Größenordnungen. Durch den Systemaufbau ist die Vegetationstragschicht (Erd- oder Hydrokultur) und damit auch schon größtenteils die Wasser- und Nährstoffversorgung festgelegt. Je nach Umfang der Innenraumbegrünung wird eine automatische Bewässerung verwendet. Licht, Luft, Systemaufbau und Wasser sind die wichtigsten Faktoren einer funktionsfähigen Innenraumbegrünung.“

Theoretisch klingt das alles nachvollziehbar. Aber lässt sich auch mit Zahlen belegen, dass die Raumlufttechnik durch begrünte Innenbereiche signifikant unterstützt werden kann?

Dr. Gunter Mann: „Ja, auf jeden Fall. Studien haben gezeigt, dass sich je nach Art und Umfang der Innenraumbegrünung die Luftfeuchtigkeit um bis etwa 20 % erhöht. Und wenn wir nun zuletzt noch über Hygiene sprechen: Die Keimbelastung in der Luft hat sich in diesen Studien um bis zu 70 % verringert. Alles in allem also Zahlen, die zeigen, dass Begrünung die Raumlufttechnik wirkungsvoll unterstützen kann.“

Rundum wohltuend: Begrünung verschönert das Ambiente und verbessert die Luft.
Rundum wohltuend: Begrünung verschönert das Ambiente und verbessert die Luft.

robatherm inmitten eines Forschungsprojekts

Wie gut sich Raumlufttechnik und Pflanzen ergänzen, hat robatherm in einem Wiener Bauprojekt erfahren. Hier wurde 2008 unter dem Namen ENERGYbase ein hochambitioniertes Bürohaus realisiert. Teil des ganzheitlichen Konzepts ist eine begrünte Doppelfassade. In diesen Pflanzenpufferräumen wird während der Übergangszeit und im Winter die Luft für die RLT-Geräte hingeführt und befeuchtet. Das zertifizierte Passivhaus ist das Resultat eines Forschungsprojekts über die Büroimmobilie der Zukunft. Seine vorbildlich sparsamen Eigenschaften werden durch wissenschaftliches Monitoring bestätigt: Die Betriebskosten für Heizung, Kühlung, Belüftung, Beleuchtung und Warmwasser werden im Gebäude um rund 80 % reduziert.

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